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Eine Ratssitzung der besonderen Art 21.09.2020

Verantwortlicher Autor: Uwe Hildebrandt Goettingen, 22.09.2020, 17:14 Uhr
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So entspannt war´s dann doch nicht
So entspannt war´s dann doch nicht  Bild: Carmen Carbonell / www.Pixabay.com

Goettingen [ENA] Jetzt nach der langen Corona- und Sommerpause finden wieder die ersten großen Ratssitzungen statt. Insbesondere große öffentliche und teilöffentliche Sitzungen finden derzeit in der Lokhalle Göttingen statt. Die Halle ist eigentlich für Konzerte, Musikveranstaltungen und Messen vorgesehen.

Aufgrund Corona findet quasi nichts live statt, so hat die Stadt Göttingen hier eine Möglichkeit gefunden, Ratssitzungen mit Bürgerbeteiligung stattfinden zu lassen. Die Halle umfasst regulär bis zu 7500 Personen ohne Sitzgelegenheit, mit Sitzplätzen immerhin noch rund 2500 Personen. Besonders die Regeln für die Teilnahme: Sich bewegende Personen mußten eine Maske tragen, sitzende Personen konnten die Maske ablegen. Neben dem Podium, Verwaltungs- und Presseplätzen waren rund 45 Plätze für die Ratsmitglieder vorgesehen. Göttingen hat derzeit 47 Ratsmitglieder, 1 Platz auf dem Podium war für OB Köhler, 1 Platz für Ratsherr Frank-Peter Arndt und der 3. Platz wurde später an die neu gewählte Ratsvorsitzende Karola Margraf vergeben.

Lt. Einladung waren sage und schreibe 43 öffentliche Punkte und 6 nichtöffentliche Punkte zu behandeln, Beginn war 16.00 Uhr; nicht später als 18.00 Uhr sollte die für 30 Minuten angesetzte Bürgerfragestunde beginnen. Auf den rund 400 für Bürger bereitgestellten Stühlen waren dann auch rund 15 Bürger erschienen, dazu 3 Pressevertreter und 1 Fotograf. Unter den rund 15 Bürgern dann zumindest 3 bekannte Partei-/Fraktionsangehörige der SPD/CDU, womit sich die Bürgerzahl auf 12 verringerte.

Ich will hier jetzt weder auf die 43 öffentlichen Sitzungspunkte eingehen noch die Sitzung im Ablauf beschreiben, noch werde ich Personen nennen, die teilweise zweifelhafte Aussagen gemacht haben. Ich möchte diese Sitzung und die Nacharbeit einfach mal darstellen, um zu zeigen wie meiner Ansicht nach die Bürger aussen vor gelassen werden, indem die Fragen einfach nicht beantwortet werden. Zum Thema Groner Landstr. 9c, die vor wenigen Monaten im Fernsehen wegen der Corona Fälle und Ausschreitungen gegenüber Polizisten war, wurde festgestellt, das hier Ende 2018 231 Kinder gemeldet sind und hier dringend Hilfe geleistet werden muß.

Wer glaube, das in der Groner Landstr. 9c und auch im Problembezirk Iduna Zentrum, ebenfalls durch TV bekannt, alle gut untergekommen seien und gut integriert seien, würde irren, das sei nicht so. Göttingen sei in der Lage alle uns zur Verfügung stehende Mittel einzusetzen zur Umsetzung für Schaffung mehr bezahlbaren Wohnraums, insbesondere für dort lebende Personen. Der hierzu gestellte Antrag wurde mit 2 Gegenstimmen angenommen. (Anmerkung: Die Leute leben da schon weitaus länger als 10 Jahre, JETZT will man sich kümmern !?).

Es wurde festgestellt, das gerade Familien und Alleinerziehende enorme Belastungen wegen Corona hätten, die auch jetzt nicht vorbei seien. Kräftezehrend seien nicht nur die Konflikte. Hilfen sollten für diesen Personenkreis großzügiger ausgelegt werden als sonst üblich. Es gäbe Familien und Alleinerziehende, die schon vor der Pandemie Probleme hatten, sich richtig zu präsentieren und Anträge richtig auszufülllen. (Anmerkung: Aha, jetzt kommt das Kleingedruckte, es geht um Asylanten und Migranten, die Probleme haben, und die sollen mehr als üblich gefördert werden ? Seltsames Demokratieverständnis, die haben doch schon alle möglichen Hilfen alias Betreuer und Anwälte, was denn noch ?).

Thema Azubis mit Migrationsanteil bei der Stadt Göttingen. Der soll erhöht werden. Zu wenig Bewerbungen, bei mündlicher Vorstellung bleiben sie häufig stecken. Es soll für diesen Personenkreis Vorbereitungskurse auf Testverfahren und Sprachförderung geben. Veränderungen in Sachen Chancengleichheit seien notwendig. Es soll ein auf den öffentlichen Dienst ausgerichtetes Bewerbertraining für Migranten geben. (Anmerkung: Soll das eine Wettbewerbsverzerrung werden bei den Bewerbungen, damit Migranten vor normalen Bewerbern Posten im öffentlichen Dienst bekommen ?

Warum dann noch öffentliche Ausschreibungen ? Und Sprachkurse bekommen doch sowieso alle, vielleicht sollten die auch mal genutzt werden. Die Stadt Göttingen will eine Studie durchführen lassen zum Thema Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst, sofern geeignete Teilnehmer gefunden werden. Herkunft oder Sprache darf keine Benachteiligung oder Bevorzugung bedeuten. Dieser Antrag wurde an den Personalausschuss überwiesen. (Anmerkung: Was der Redner sagen will, ist das Migranten und Asylanten wegen Sprache und Herkunft benachteiligt werden und Deutsche bevorzugt).

Im übrigen ist ja bekannt, das Göttingen eine der Städte ist, die einen sicheren Hafen für Flüchtlinge bietet, was immer das auch in der Praxis bedeuten soll. Auf jeden Fall ist Göttingen eine der ersten 10 Städte, die angeboten haben, 30 Flüchtlinge aus Moria aufnehmen zu können und zu wollen. Dazu eine Ratsfrau: Wenn europäische Lösungen versagen, darf Göttingen nicht versagen. Das Boot ist noch lange nicht voll, wir haben Platz. (Anmerkung: Abgesehen von dem dummen Spruch zum Schluß gibt es einen klaren Rechtsspruch zu den Angeboten der Städte, im Alleingang Flüchtlinge aufnehmen zu wollen und warum das von Seehofer nicht gebilligt wird: Es geht hier nämlich nicht um die Aufnahme in einer Stadt, Region oder Land.

denn die Städte können nicht dafür garantieren, das die zusätzlich aufgenommenen Flüchtlinge auch in der Stadt bleiben. Eine Stadt hat aber nicht die politische und schon gar nicht rechtliche Befugnis, zu bestimmen, das ein Staat Flüchtlinge aufnimmt, dazu gibt es einen Bundestag und ein Ministerium; das genau tun aber die Städte durch die Hintertür. Im Klartext für Schwerversteher: Wenn Hamburg 500 Flüchtlinge aus Moria aufnimmt und davon 400 weiterziehen wollen nach Bayern dürfte das Hamburg nicht zulassen und die Flüchtlinge nicht aus Hamburg herauslassen, weil das dann keine Ländersache mehr wäre von Hamburg. Da Hamburg aber weder garantieren noch kontrollieren kann das die Flüchtlinge in Hamburg bleiben

noch Hamburg die staatliche Befugnis hat, Flüchtlinge für den Staat Deutschland aufzunehmen, gibt es keinen Alleingang. So einfach ist das.) Besonders heisses Thema war der E-Sport. 2 Ratsfrauen wollten sich vehement dafür einsetzen, den E-Sport mit dem Breitensport gleichzusetzen und damit auch Förderungen für den E-Sport freizugeben. Man sei schließlich im Jahr 2020 angekommen, in einer neuen digitalen Welt, man müsse umdenken, man müsse sich von der Art Ballerspiele mal verabschieden, da würden Fussballspiele im Team gespielt usw. (Anmerkung: Da muß ich jetzt einfach mal sagen: Frauen im Rat Göttingen und E-Sport Fachkenntnisse; 2 Dinge, die nicht zusammenpassen.

Und wenn man schon keine Ahnung hat, dann sollte man auch nicht davon reden. Hätten die Beiden nämlich mal im Internet die TOP 20 der E-Sport-Spiele aufgerufen, wäre Ihnen aufgefallen, das Sportspiele eher selten sind, dafür aber Ballerspiele/Kriegsspiele/Ego-Shooter und wie sie sonst noch heissen; Counterstrike, Fortnite, Call of Duty, Apex Legends und Co. lassen grüßen. Erst informieren dann reden). Dieser Antrag wurde zum Glück dann auch nicht an den Sportausschuss, wie gewünscht, zur weiteren Prüfung weitergeleitet und klar abgelehnt.

Ich möchte mich jetzt aus der Sitzung sozusagen ausklinken, denn jetzt wurde die Bürgersprechstunde, die nur 30 Minuten ging, gegen 18.30 Uhr eingespielt. 5 Bürger haben 1 – 3 Fragen gestellt, interessant aber wie erwartet wurden die meisten Fragen nicht beantwortet mit Hinweisen wie: Dazu habe ich keine Informationen, oder: Die Antwort reichen wir nach. Wohin nur ? Interessant in dieser Sprechstunde der Hinweis der neu gewählten Ratsvorsitzenden, die neben einigen Zählfehlern bei den Abstimmungen dann ebenfalls falsch die Bürger belehrte: Sagen Sie für das Protokoll ihren Namen und stellen Sie dann ihre Frage. Falsch an diesem Satz ist der zweite Teil: Jeder Bürger hat das Recht, mehrere Fragen zu stellen.

Und auch eine andere Zwischenbemerkung war falsch, als Sie einen Bürger darauf hinwies, es sei eine Fragestunde keine Zeit für Ausführungen und Erklärungen. Jeder Bürger darf ein Rederecht OHNE Frage einfordern entsprechend § 62 Absatz 1 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG). Darüber muß allerdings abgestimmt werden mit einfacher Mehrheit. Aber weil ja nun die Fragezeit begrenzt war und manche Fragen gar nicht beantwortet worden sind, obwohl ja alle Ratsfraktionen aller Parteien, die Anträge gestellt hatten, anwesend waren, habe ich im Nachlauf die Fragen direkt gestellt. Die Fragen und Antworten präsentiere ich Ihnen hier.

Die SPD bringt einen Antrag am 3. September ein; Thema Lüftungsanlagen für Klassenräume. Die Verwaltung solle prüfen, ob es sinnvoll sei, Göttinger Schulen entsprechend auszustatten. Das Ganze soll zum Beginn der Herbstzeit starten. Meine Frage war: Die Schulen waren gut 4 Monate incl. Sommerferien geschlossen. Warum wird das erst jetzt geprüft ? Man hätte die Anlagen längst einbauen können. Antwort vor Ort: Keine, ich könne meine Karte da lassen man würde sich melden. Bei Rückfrage bei der SPD Ratsfraktion folgende Auskunft: Das ist uns erst jetzt eingefallen. Mit den Aerosolen ist das erst im Sommer aufgekommen. Wegen Lockdown hat man sich nicht getroffen, sondern nur Videokonferenzen gemacht.

Eine Vereinbarung zwischen Landkreis Göttingen und Stadt Göttingen sieht unter anderem eine Umsetzung versch. neuer Tarife für den ÖPNV vor. Bereits am 12.02.2020 wurde das beschlossen, Umsetzung soll zum 01.01.2021 erfolgen. Bisher gibt es eine AboCard, es soll dann ein Basis- und Premium Abo geben. Dazu aber keine Erklärung. Bei der GöVB (Göttinger Verkehrsbetriebe) wurde ich an den Verkehrsverbund Südniedersachsen (VSN) verwiesen. Und oh Wunder, dort weiß gar keiner etwas von den Tickets, nie gehört, keine Infos.

Thema Azubis mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst der Stadt Göttingen. Zu diesem Thema meine einfache Frage: Wieviel % sind denn geplant einzustellen aus diesem Kreis der möglichen Azubis ? Antwort: Dazu gibt es keine Infos, steht nicht fest, ich solle doch mal im Ratsinformationssystem schauen, das stände das. Aha. Ein emotionsgeladenes Thema zum Schluß: Die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria. 30 sollen es erst einmal sein. Der Antrag wird gleich von Bündnis 90/Grüne, SPD, Göttinger Linke/ALG und PARTEI eingebracht. Darin heisst es in der Begründung unter anderen: Unter den nun Obdachlosen befinden sich auch ZAHLREICHE mit Corona infizierte Menschen.

Bekannt ist ja aus öffentlichen Quellen, das 35 Infizierte festgestellt worden sind, da erst einmal stiften gegangen sind. Später sind einige wieder gefasst worden. Ich wollte einfach mal wissen, ob die Antragssteller wissen, wieviel Infizierte es waren. Aber Pech gehabt: Der OB ergreift das Mikro und antwortet, das die Zahlen nicht ganz eindeutig und klar seien, es sollen um die 150 sein. Ich wollte aber von den Fraktionen eine Info haben, also rufe ich dort an. Die SPD lasse ich aus, bei Göttinger Linke/ALG erreiche ich in der Ratsfraktion niemanden auch nach mehreren Anrufen während der Öffnungszeiten.

Die PARTEI weiß die Zahl auch nicht, die Aussage sei aus Presseberichten entnommen. Stattdessen will die Sprecherin wissen, warum ich die Zahl wissen will, was mein Recht als Bürger ist. Ich erkläre ihr, das mit der Aussage „ zahlreich „ Stimmung in eine bestimmte Richtung gemacht werden soll. Sie unterbricht und sagt: Daher weht also der Wind. Sie möchte sich mit mir nicht weiter unterhalten. Iss klar, das läßt weit blicken. Bündnis 90/Grüne sagt dazu: Der Hauptantragssteller sei die PARTEI. Die habe bei den Grünen angefragt, ob sie den Antrag unterstützen. Den Begründungstext kenne sie nicht. Es waren auf jeden Fall Infizierte dabei.

Fazit meiner Sitzungsbeiwohnung und anschließenden Nachfragen: Viel Populismus, wenig konkretes Wissen. Stimmung machen, dramatisieren, übertreiben. Für mich als Bürger das letzte Mal einer sogenannten Ratssitzung beizuwohnen. Ein Begriff die die verschwendeten Stunden kennzeichnen: Aufgeflogen.

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